Debakel um die Evergrande Group – mit Islamic Finance vermeidbar?

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Die Thematik Evergrande Group lässt Investoren und Anleger auf der ganzen Welt aufhorchen. Die Meldung, dass der zweitgrößte Immobilienentwickler in China bald zahlungsunfähig sein könnte, macht viele Marktteilnehmer nervös. Parallelen zur Finanzkrise im Jahr 2008 werden gezogen, da der Immobiliensektor eine enge Verstrickung mit Banken und Finanzhäuser hat und diese bei großen Immobilienpleiten auch ins Wanken geraten können. Der Immobiliensektor macht ca. 1/4 der Wirtschaftstätigkeit von China aus und hat somit auch eine makroökonomische Relevanz für China und die Weltwirtschaft. Die Evergrande Group alleine hat Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 300 Milliarden US-Dollar.

Aktuell hat das Unternehmen Schwierigkeiten, Zinszahlungen ihrer ausgegebenen Anleihen zu bedienen. Am Mittwoch wurde zwar gemeldet, dass die erste Zinszahlung für die in China ausgegeben Anleihen wohl gezahlt werden können. Das Unternehmen äußert sich jedoch nicht zu zukünftig fälligen Zinszahlungen. Gläubiger können der Evergrande Group entgegenkommen und eine Fristverlängerung einräumen, wie aktuell einige der Gläubiger auch beraten. Hier fällt aber auf, dass die Zinszahlungen nicht erlassen werden sollen, sondern nur aufgeschoben – ein typisches Merkmal der Kreditfinanzierung, dass die Pflichtzahlungen trotz allem geleistet werden müssen, unabhängig ob der Schuldner einen tatsächlichen Gewinn realisiert oder zur Zinstilgung sogar weitere Schulden aufnehmen muss. Die Evergrande Group versucht aktuell eigene Bestandsimmobilien unter Marktwert zu verkaufen, um schnell Liquidität zu erhalten. Zwar könnte das Unternehmen somit ihre ausstehenden Zinszahlungen kurzfristig ausgleichen, löst damit aber nicht das Problem von zukünftigen Forderungen. Entsprechend wird auch der Ertrag geringer, da weniger Bestandsimmobilien bestehen und wegen fehlender Sicherheiten zukünftige Finanzierungen zu schlechteren Konditionen vereinbart werden können. Nicht untypisch für die Branche, aber wichtig zu wissen ist, dass die Fremdkapitalquote von Evergrande in den letzten Jahren bei ca. 80 bis 95 % lag. Entsprechend ist die Eigenkapitalquote sehr gering.

Die Frage, die uns beschäftigt ist, ob die unternehmerische Schieflage der Evergrande Group mit einem islamkonformen Konzept hätte verhindert werden können?


Zunächst müssen die islamischen Grundregeln für wirtschaftliches Handeln berücksichtigt werden. Die islamische Glaubenslehre erlaubt Vorteile aus Handels- und Beteiligungsgeschäften und verbietet jeglichen Vorteil aus der risikofreien Geldleihe. Profite dürfen nicht aus Geschäften mit Firmen generiert werden, welche Schweinefleisch, Alkohol, Waffen, Glücksspiel, Pornografie, Zinsen etc. produzieren oder vermitteln.

Im Falle der Evergrande Group stellt hier das Geschäftsmodell der Immobilienentwicklung durch verzinstes Fremdkapital ein großes Problem dar. Die Gründe hierfür ist in diesem konkreten Fall offensichtlich. Die Zinsverpflichtung zwingt das Unternehmen förmlich, sich weiteres Kapital auf dem Markt zu beschaffen (meistens noch teurer), bis kein Finanzinstitut mehr bereit ist, Kapital zur Verfügung zu stellen. Letztlich bleibt die Möglichkeit vorhandene Vermögenswerte zu veräußern, um Zinskosten zu decken. Andernfalls ist eine Insolvenz unumgänglich.

Wenn die Finanzierung jedoch auf einem islamkonformen Beteiligungs- oder Partnerschaftskonstrukt basieren würde, besteht das Problem offener Zinszahlungen, die das Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit und möglicherweise in die Insolvenz führen können, nicht.

In der Beteiligungsfinanzierung gibt es verschiedene Modelle, bei denen der Beteiligungspartner an den Gewinnen der Projekte beteiligt wird und somit auch einen Teil des Risikos mitträgt – anders als bei der konventionellen Kreditfinanzierung, bei der die Bank ihre bereitgestellte Summe zuzüglich Zinsen verlangt. Beim Ausfall der Zahlungen und möglicher Insolvenz wird die Bank als Gläubiger aus der Insolvenzmasse bezahlt. Da aber bei der islamkonformen Methode der Beteiligungspartner sich nur an tatsächlich vorhandenen Gewinnen beteiligt und weitere Risiken eingeht, wird hier gründlicher geprüft, ob eine Geschäftsidee solide und profitabel erscheint. Dieser Mechanismus verhindert, dass Gelder in unplausible Projekte fließen die keine Abnehmer finden wie im Fall der Evergrande Group. Bei einem Gewinnausfall oder Verlust hat der Beteiligungspartner kein Anspruch auf Geldforderungen und wäre an einer Erholung des Geschäfts interessiert. Das bedeutet, dass in einer Zwangslage wie bei der Evergrande Group keine Zahlungsverpflichtung erzwungen wird, sondern ein Plan ausgearbeitet wird, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.

Möglichkeiten zur Islamkonformen Finanzierung wären z.B. die Musharaka-Finanzierung, bei der eine Partnerschaft in Form eines Joint Ventures eingegangen wird und ein Gewinnverhältnis zwischen den Partnern vereinbart wird. Nach und nach erwirbt der Kapitalnehmer die Anteile des Kapitalgebers an dem gemeinsam gegründeten Joint Venture, bis alle Anteile im Eigentum des Kapitalnehmers sind. Eine weitere Möglichkeit wäre die Finanzierung durch die Mudaraba-Finanzierung, bei dem das Kapital vom Beteiligungspartner gestellt wird und der Kapitalnehmer Gewinne erzielen soll, an dem der Kapitalgeber anteilig am Gewinnen beteiligt wird. Wenn keine Gewinne erwirtschaftet werden, gibt es auch im Gegensatz zu Zinsgeschäften, keine Pflicht zur Zahlung. So werden Kapitalnehmer auch nicht in eine Zahlungsunfähigkeit durch Kapitalaufforderungen gedrängt.

Anhand des Beispiels der Evergrande Group wird deutlich, was Zinsgeschäfte für Auswirkungen nach sich ziehen und eine weltweite Instabilität verursachen können.

Weitere Informationen zu islamkonformen Finanzierungsmodellen gibt es in unserem Blogbeitrag:

https://www.inaia.finance/de/blog/die-islamkonforme-finanzierung/